Wer kennt das nicht? Man macht einen Zug und fragt sich hinterher, wie konnte das passieren? Ein klassischer Blackout, ein Aussetzer, den man einfach nicht erklären kann. In den letzten Wochen liegt eine Art Blackout-Fluch über unserem Verein. Andreas Berthy stellt im Endspiel zwei verbundene Freibauern ein, Hardy Wimber rennt in vollkommen gewonnener Stellung ins Selbstmatt, Werner Lange verwandelt in einem Zug einen Sieg zum Remis, Ralf Callenberg und Roland Mecklenburg lassen sich in besseren Stellungen völlig unnötig Matt setzen und Peter Rausch opfert einen Läufer, weil er den König auf einem anderen Feld wähnt……
Etwas Trost spenden da vielleicht die Blackouts der „Grossen“. Auch die sind nicht vor seltsamen Irrungen geschützt. Es gibt viele Beispiele, hier ein paar Highlights:
Einer der Urväter aller Blackouts auf höchstem Niveau ist unbestritten Michail Tschigorin. In seinem Match um die Weltmeisterkrone musste er unbedingt die Partie gegen Wilhelm Steinitz gewinnen. Nach 31 Zügen kam es zu folgender Stellung:
Tschigorin – Steinitz
Havanna 1892
Und was machte der Anwärter auf den Titel? Er zog seinen Läufer nach b4 und gab nach Txh2 sofort auf, da er im nächsten Zug matt gesetzt wird. Damit verlor er zwar den Wettkampf, bekam dafür aber einen Ehrenplatz in den Geschichtsbüchern.
Bleiben wir bei Weltmeisterschaftspartien. Im wohl härtesten Duell aller Zeiten – wenn es um das politische Geschehen ausserhalb des Brettes ging – überspielte Kortschnoi in der 17. Partie Karpov völlig. Bei einem normalen Spielverlauf kann nur Weiss als Sieger vom Brett gehen.
Kortschnoi – Karpov
Baguio City 1978
Als amtierender Weltmeister spielte Kramnik ein 6-Partien-Match gegen Deep Fritz. Nicht nur für Experten war der 4:2 Sieg des Schachprogramms keine grosse Überraschung, hatte doch schon Kasparow eine bittere Niederlage gegen das Bitmonster Deep Blue hinnehmen müssen. In der 2.Partie kam es zu folgender Stellung:
Deep Fritz 10 – Kramnik
Bonn 2006
Selbst unter den Anfängern des königlichen Spiels müsste man lange suchen, bis man einen findet, der auf den schwarzen Zug De3 setzen würde. Zu simpel ist die Mattdrohung auf h7 zu erkennen. Und was zog der Weltmeister? Richtig – er setzte seine Dame auf das Feld e3. Ob Deep Fritz sich noch ein digitales Smiley gebastelt hat, bevor er nach wenigen Mikrosekunden „Dh7#“auf dem Display anzeigte, ist leider nicht überliefert.
Zum Abschluss noch zwei Beispiele des amtierenden Weltmeisters Magnus Carlsen, der mit seiner unglaublichen Intuition nur äusserst selten fehlgreift. Für uns Normalsterbliche sind die beiden Partiefragmente sicherlich keine klassischen Blackouts, für Carlsen selbst wohl mittlere Katastrophen, die aber, und das ist eigentlich das Unfassbare, nicht bestraft wurden. Dabei gehören beide Gegner zur absoluten Weltspitze.
Carlsen – Aronian
Sao Paulo 2012
Hier zog Carlsen 27.Lf4, was nach 27….T8xf4 einfach eine Figur kostet, denn 28.gxf4 Sxf4 29.Tg1 Dxh2+ 30.Kxh2 Th3# führt unweigerlich ins Matt. Stattdessen zog Aronian 27….Lc3, weil er nach eigenen Angaben 27….T8xf4 zwar gesehen, aber nach 28.gxf4 Sxf4 29.Ta8+ die Antwort Lf8 vollkommen übersehen hat. Die Partie endete nach 48 Zügen mit einem Unendschieden.
Es war die kuriose 6.Partie, die den Kampf um den Weltmeistertitel wohl entschied. Kurios, weil beide Spieler unmittelbar nach Ausführung ihres jeweils 26.Zuges sahen, was sie angerichtet bzw. ausgelassen hatten. Erklären konnten beide Spieler ihre Schachblindheit in der anschliessenden Pressekonferenz übrigens nicht.
Carlsen – Anand
Sotschi 2014
Carlsen hatte gerade 26.Kd2 gezogen. Man kann davon ausgehen, dass Anand in einer Blitzpartie oder Simultanveranstaltung blitzschnell die Abwicklung 26….Sxe5 27.Txg8 Sc4+ 28.Kd3 Sb2+ und anschliessendem Txg8 gefunden hätte. Aber ausgerechnet im WM-Match spielte er 26….a4 und verlor diese so wichtige Partie.