Retroschach

Aufgabe 1

Beginnen wir mit einer verhältnismässig leichten Aufgabe. Bei einer sehr übersichtlichen Stellung gibt es nur eine Frage: Was waren die letzten beiden Einzelzüge?

Lösung:

Die einzige Möglichkeit besteht darin, dass der schwarze König, von h2 kommend, auf h1 geschlagen hat. Die Figur, die er auf h1 geschlagen hat, muss ein Springer gewesen sein, der zuvor auf g3 stehend das Schach des Lb8 abgedeckt hat. Einfach und logisch…

 

Aufgabe 2

Die nächste Aufgabe verlangt schon eine gehörige Portion mehr Gehirnschmalz. Es handelt sich um eine Studie aus dem Jahre 1914 mit dem trefflichen Namen “Weihnachtsbaum”. Wer erkennt, warum die Studie so heisst, kann sich übrigens direkt einen Bonuspunkt notieren. Zwei Fragen drängen sich dem Retrofan förmlich auf: Ist die Stellung theoretisch überhaupt erreichbar, und was war der letzte schwarze Zug? Der “normale” Schachspieler kann sich auch noch um das Matt in 2 kümmern.

Lösung:

Gehen wir die Sache systematisch an:

  1. Weiß soll matt setzen, also muss zuletzt ein Zug von Schwarz geschehen sein.
    Sein König konnte nicht ziehen. Auf f7 und d7 hätte er im Schach des Bauern e6 gestanden, der aber nicht unmittelbar zuvor dorthin gezogen haben kann. Auf d8 und f8 ergäben sich Doppelschachs mit Springer und Bauer, die ebenfalls nicht regulär zu erspielen sind. Folglich muss zuletzt einer der beiden Bauern auf f5 oder d5 gezogen haben.
  2. Beide Bauern können nicht von der 6. Reihe gekommen sein, denn dort hätten sie dem weißen König Schach geboten.
    Letzter schwarzer Zug war also entweder d7-d5 oder f7-f5.
  3. Je nachdem, welcher Bauer zuletzt gezogen hat, gewinnt Weiß also mit einem en-Passant-Schlagen und nachfolgendem Vorrücken auf die 7. Reihe, also: 1.cxd6 e.p. bxc6 (oder hxg6) 2.d7 matt — oder 1.gxf6 e.p bxc6 (oder hxg6) 2.f7 matt.

Das ist leider nur die halbe Lösung. Also überlegt man einfach weiter:

  1. Weiß hat noch alle 8 Bauern auf dem Brett. Um aber in die jetzt aktuelle Stellung zu kommen, mussten die weißen Bauern mindestens 10x gegnerische Figuren schlagen,was man durch Nachzählen der erforderlichen Linienwechsel ermitteln kann. Es fehlen auch genau 10 schwarze Figuren, also wurden alle fehlenden schwarzen Figuren durch weiße Bauern geschlagen.
  2. Ferner erkennt man, dass diese 10 Schlagfälle nicht auf der schwarzen Grundreihe passiert sein können. Dort hätten sich die weißen Bauern ja umgewandelt und wären jetzt nicht mehr auf dem Brett.
  3. Insbesondere der schwarze Läufer konnte so nicht auf c8 geschlagen. Er hat also sein Ausgangsfeld verlassen. Da der Bauer auf b7 immer den Weg versperrt hat, muss folglich der Bauer von d7 schon vor längerer Zeit gezogen haben, um den Weg des Läufers freizumachen.
  4. Also scheidet d7-d5 als letzter schwarzer Zug aus. Es bleibt nur f7-f5.
    Danach löst sich das Matt in 2 Zügen mit 1.gxf6 e.p. bxc6 (oder hxg6) 2.f7 matt.

 

Aufgabe 3

Nachdem es schon ordentlich zur Sache ging, wird es jetzt nahezu erholsam. Schwarz zieht, Weiss setzt matt. So weit, so gut. Die Frage ist, in wie vielen Zügen setzt Weiss matt? Und wer sich jetzt fragt, ob Weiss rochieren kann…..

 Lösung

Die Rochade ist natürlich nicht erlaubt, weil der König gezogen haben muss (wie käme sonst der Turm nach e2?!). Aber zuerst ist Schwarz am Zug. Schauen wir uns seine beiden möglichen Züge an.
1….Lxc7
Hier führt nur 2.Kf1 nebst 3.Te1# zum Ziel. Würde der König nach d1 gehen, könnte der schwarze Läufer nach h2 ziehen und sich nach 3.Kc2 heroisch auf g1 opfern, was das Matt um einen Zug verzögern würde.
1….Lxe7
Jetzt muss der König nach d1 ziehen. Egal was Schwarz versucht, er wird im nächsten Zug durch Kc2 matt gesetzt.

Die Antwort ist also eindeutig: egal was Schwarz zieht, er wird in 2 Zügen matt gesetzt.

 

Aufgabe 4

Dringen wir etwas tiefer in die wahre Welt der “Retros” ein. Die Frage ist genauso kurz wie komplex: Darf Weiss noch rochieren? Getreu dem Motto “Geht nicht, gibt*s nicht”, ist tatsächlich eine eindeutig belegbare Antwort möglich. Also ran ans Werk – und achtet mir auf die Stellung der Bauern. Die sind der Schlüssel zur Lösung.

 Lösung:

Beginnen wir mit den Fakten:
Es stehen noch alle Bauern am Brett, was eine Bauernumwandlung ausschliesst. Der fehlende weiße Turm wurde vom Bauern h7 auf g5 geschlagen. Der schwarze Läufer wurde direkt auf f8 geschlagen, einer der fehlenden schwarzen Türme muss vom Bauern a2 auf b4 geschlagen worden sein, der fehlende zweite schwarze Turm spielt keine Rolle.
Daraus folgt:
Der auf b4 stehende Bauer muss einen der beiden schwarzen Türme geschlagen haben. Der konnte jedoch erst ins Spiel kommen, nachdem der von h7 stammende Bauer auf g5 geschlagen hat. Der Turm von a1 konnte jedoch nicht eher ins Spiel kommen, bis der Ba2 auf der b-Linien geschlagen hat. Also kann auf der g-Linie nur der Turm von h1 geschlagen worden sein, und der jetzt auf h1 stehende Turm kommt ursprünglich von a1. Weiß darf also nicht mehr rochieren.

 

Aufgabe 5

Die etwas kuriosen Fragen zu dieser Stellung lauten:  Steht der schwarzfeldrige weisse Läufer noch auf dem Brett? Wenn ja, wo? Wenn nein, wo wurde er geschlagen?

Lösung:

Auf den ersten Blick scheint diese Aufgabe unlösbar zu sein. Gibt es doch einfach zu viele Felder, auf denen der Läufer stehen oder geschlagen worden sein könnte. Trotzdem gibt es eine Lösung, die man aus den Stellungsmerkmalen entwickeln kann. Schauen wir uns zuerst die Bauern an. Weiss und Schwarz besitzen noch ihre 8 Bauern, eine Umwandlung fand nicht statt. Einzig der schwarze Bauer auf c6 hat eine Figur geschlagen. Aber welche? Der Läufer auf f1 fällt aus, da er durch die Bauern blockiert ist. Der schwarzfeldrige Phantom-Läufer fällt auch aus, bleibt also nur die Dame.
Die zweite Sache die auffällt ist der Läufer auf a2. Der konnte sein Ursprungsfeld erst verlassen, nachdem der Bauer auf d7 die weisse Dame auf c6 geschlagen hat. Ausserdem musste der weisse Bauer auf b2 stehen bleiben, bis der Läufer auf a2 stand.
Die weisse Dame muss demzufolge über c1,b1 und a2 die Reise nach c6 angetreten sein. Und wer stand da im Weg? Richtig – der Läufer auf c1, der sich aber nicht bewegen konnte. Also wurde der schwarzfeldrige weisse Läufer auf c1 geschlagen.

 

Aufgabe 6

In dieser fast identischen Stellung geht es wieder, wie soll es auch anders sein, um den schwarzfeldrigen weissen Läufer. Und man wird sich nicht wundern, wenn man sich die Frage anschaut: Der schwarzfeldrige Läufer wurde nicht auf seinem Ausgangsfeld c1 geschlagen und steht auch nicht da. Wo steht der schwarzfeldrigen weissen Läufer, oder wo wurde er geschlagen?

Lösung:

Nahezu die gleiche Stellung wie im obigen Beispiel – und doch ist alles ganz anders. Die entscheidende Frage lautet: Ist der Läufer auf a2 eine originale oder eine umgewandelte Figur? Die Antwort ist recht einfach. Wäre der Läufer auf a2 nicht umgewandelt worden, müsste der weisse Läufer auf c1 geschlagen worden sein (siehe Lösung von gestern). Jetzt können wir die Analyse starten:

  1. Der schwarze a-Bauer muss die lange Reise nach b1 angetreten sein. Dabei wurde eine weisse Figur geschlagen.
  2. Es kann sich dabei nur um den schwarzfeldrigen  Läufer gehandelt haben. Die Dame wurde auf c6 geschlagen, der Läufer auf f1, alle anderen Figuren stehen noch auf dem Brett, und sind Originalfiguren, da es keine Umwandlung gab.
  3. Somit kann der Läufer nur auf b2 gestanden haben

 

Aufgabe 7

Beide Seiten haben aus der Grundstellung 4 Züge gemacht. Wie verlief die Partie? Ubrigens – in 6,7 oder 9 Halbzügen ist die Lösung wesentlich einfacher.

Lösung:

Die Lösung ist einfach nur schön:

1.e4 e6 2.Lb5 Ke7 3.Lxd7 c6 4. Le8 Kxe8   Na – drauf gekommen?